1897 Ueber Frauen⸗ und Lehrerinnen⸗Vereine. Vortrag, gehalten am 13. Februar 1891 für die Berliner Mitglieder des Allgemeinen Deutſihfen Lehrerinnen⸗Vereins von Helene Lange. Berlin, 1891. 2. Oehmigke's Verlag. (R. Appelius.) 55. Kommandanten⸗Straße 55. Ueber Frauen⸗ und Lehrerinnen-Vereine. Vortrag, gehalten am 13. Februar 1891 für die Berliner Mitglieder des Allgemeinen Deutſchen Lehrerinnen⸗Vereins von Helene Lange. Berlin, 1891. 2. Oehmigke's Verlag (R. Appelius.) 55. Kommandanten⸗Straße 55. Ne 5106 Hochgeehrte Verſammlung! Juſtus Möſer meint einmal, er würde als ein Mann aus dem Volke kein Mädchen ehelichen, welches leſen und ſchreiben könnte. Über den Grund klärt uns die ähnliche Äußerung eines alten Schulmeiſters im Jahre 1772 auf: „Bei den virginibus iſt das Schreiben nur ein vehiculum zur Lüderlichkeit.“ Und ebenſo ſträubte ſich die Großmutter der Karſchin auf das energiſchſte dagegen, daß das Kind ſchreiben lernte, da Leſen und Schreiben nur Müßiggang und Untugend mit ſich brächte. Wir ſind inzwiſchen um ein Jahrhundert weitergerückt, und wenn die Welt auch nach der Meinung alter Leute vielleicht ſchlechter geworden iſt, da ja die gute alte Zeit — die nur das eigentümliche Schickſal hat, nie Gegenwart geweſen zu ſein — als unvergängliches, weil eben rein ideelles Muſter gilt, ſo würde doch ſchwerlich jemand noch kühn genug ſein zu behaupten, daß dieſe ſtete Verſchlechterung ihren Grund darin habe, daß in⸗ zwiſchen die Mädchen, beſonders die aus dem Volke, leſen und ſchreiben gelernt haben. Der Staat wenigſtens huldigt dieſer peſſimiſtiſchen Anſchauung nicht, da er durchaus nicht mehr zu⸗ giebt, daß die Mädchen aus dem Volke nicht leſen und ſchreiben lernen. Er muß alſo in dieſen Fertigkeiten wohl kein vehiculum der Liederlichkeit mehr erblicken, im Gegenteil, ein weſentliches Mittel zur Beförderung der Sittlichkeit durch Bildung und Erweiterung des Geſichtskreiſes. Nicht erfüllte Prophezeiungen haben aber bekanntlich durchaus nicht die Wirkung, von ferneren Prophezeiungen zurückzuſchrecken, die ſogar häufig ſich durch große Ähnlichkeit auszeichnen und denn auch ſpäter ähnlichem Geſchick verfallen. 1* 4 Und ſo geht es denn den Frauen unſerer Tage nicht viel anders, als denen des vorigen Jahrhunderts; es ſcheint leider ſeit Eva unſer Geſchick zu ſein, die Welt der Verderbnis entgegenzuführen, obwohl wir das ſchwache Geſchlecht ſind. Nicht mehr Leſen und Schreiben, nicht mehr die Elementar⸗ bildung der Frauen wird als eine Gefährdung der Geſellſchaft und des ſittlichen Fortſchritts der Menſchheit angeſehen, wohl aber jeder Verſuch, ihnen eine höhere Bildung zugänglich zu machen. Der Untergang jeder häuslichen Tugend, des Familien⸗ lebens, der „echten Weiblichkeit“, die beſonders die deutſchen Frauen in Erbpacht genommen haben ſollen, wird vorausgeſagt, wenn die Frauen daran denken, Schleiermachers zehntes Gebot ausführen zu wollen: „Laß dich gelüſten nach der Männer Bildung, Kunſt, Weisheit und Ehre.“ Der Umſtand nun zwar, daß dies Gebot in anderen Ländern ſeine Erfüllung gefunden und zwar nicht zum Nachteil, ſondern zum Vorteil der Sittlich⸗ keit; der Umſtand ferner, daß der Widerſtand, den das Ver⸗ langen der Frauen nach höherer Bildung erregt, genau der Beſorgnis vor Konkurrenz proportional iſt, läßt dieſe Prophe⸗ zeiung in einem ähnlichen Licht erſcheinen, wie die nicht erfüllte des vorigen Jahrhunderts. Aber es giebt etwas, was vielen noch weit gefährlicher erſcheint, als das Streben der Frauen nach höherer Bildung: das iſt die Teilnahme an öffentlichen Intereſſen, ſoweit dieſelbe ſich nicht etwa auf rein paſſives Zuhören beſchränkt, ſondern zu einem Zuſammentreten führt, darauf berechnet, dieſem Intereſſe durch poſitive Maßnahmen Ausdruck zu geben, die eben um ſo bedenklicher erſcheinen, als ſie die Außerung einer geſchloſſenen Geſamtheit ſind. Solche Maßnahmen können, ſoweit ſie eben nicht durch die Initiative einzelner durchführbar ſind, zunächſt nur in Reſolutionen und Petitionen ihren Ausdruck finden, die den maßgebenden Kreiſen vorgelegt werden; eben aber darin ſieht man vielfach ein Überſchreiten der Linien, welche Natur und Geſellſchaft um die Frauen gezogen haben. Dieſer Auf⸗ 5 faſſung iſt mehrfach auch unſeren Vereinen, den Lehrerinnen⸗ vereinen, gegenüber Ausdruck gegeben worden. Daß ſolche Außerungen in reinſter Abſicht und aus wohlwollender Geſinnung heraus gethan werden, davon dürfen wir wohl in den meiſten Fällen überzeugt ſein; ſie entſtammen aber einer Auffaſſung, die wir doch ohne weiteres als eine richtige nicht gelten laſſen können. Es iſt unſere Pflicht als denkende Menſchen, ſie wenigſtens erſt einer Unterſuchung zu unterwerfen, und das iſt es, was ich mir heute vor Ihnen zu thun erlauben will, nicht aus irgendwelchem oppoſitionellen Bedürfnis, ſondern in der redlichen Abſicht und Hoffnung, da zu überzeugen, wo eine derartige Überzeugung für uns von hoher Bedeutung ſein muß¹). ¹) Da von einigen in meinem Vortrag anweſend geweſenen Herren die Möglichkeit beſtritten wurde, daß den Frauen im Ernſt die genannten Berechti⸗ gungen abgeſprochen werden könnten, — ein Beweis, wie wenig über den Stand der Frauenfrage bei uns in Männerkreiſen bekannt iſt — ſo glaube ich bei⸗ folgende Notiz der „Deutſchen Schulzeitung“ vom 29. Januar 1891, die ſeinerzeit durch eine Reihe von Blättern lief, zur Orientierung abdrucken zu ſollen. Es würde ſich wohl leicht weiteres ähnliches Material beſchaffen laſſen. Berliner Schulweſen. (Vereidigung der Lehrerinnen durch den Herrn Stadtſchulrat Profeſſor Dr. Bertram.) Am 17. d. M. fand im ſtädtiſchen Schulmuſeum die Vereidigung reſp. Verpflichtung der vom 1. Oktober 1890 und 1. Januar 1891 ab im Gemeindeſchuldienſt angeſtellten Lehrerinnen durch den Schulrat Prof. Dr. Bertram ſtatt. In ſeiner Anſprache bezeichnete der Herr Schulrat u. a. das Haus als den Ort, an welchem die Damen geiſtige Erholung nach den Schulſtunden ſuchen müßten. Hier im engen Familienkreiſe hätten ſie auch Gelegenheit, diejenigen Eigenſchaften zu pflegen und zu ſtärken, durch welche gerade die Lehrerinnen ſo ſegensreich an Mädchenſchulen zu wirken vermöchten. Wenn aber die Lehrerinnen die Linien überſchritten, welche Natur und Geſellſchaft um die Frauen gezogen, wenn ſie mit Reſolu⸗ tionen und Petitionen in die Offentlichkeit träten, ſo ſei dies ſehr zu bedauern. Durch ein derartiges Hinaustreten aus dem Kreiſe, in dem ſich das Leben der Frauen zu bewegen hätte, leide auch ihre eigenartige erziehliche Thätigkeit. Was im öffentlichen Leben das Recht und die Pflicht der Männer ſei, das ſei nicht immer auch das Recht und die Pflicht der Frauen. Die ſtädtiſche Behörde wünſche herzlich, daß die Wirkſamkeit der Lehrerinnen Berlins eine ſo ſegensreiche bleiben möchte, wie ſie es bisher geweſen ſei. 6 Die Frage nach den Lehrerinnenvereinen iſt eine ſekundäre. Denn die Lehrerin iſt zunächſt Frau. Was alſo der Frauen⸗ natur völlig zuwiderläuft, wird auch für die Lehrerin nicht geeignet erſcheinen. Wenn daher jede Berührung mit der Offentlichkeit, jede aktive Vertretung öffentlicher Intereſſen der Natur der Frau zuwiderliefe, ſo würde auch der Lehrerin eine ſolche nicht geſtattet werden dürfen. Ich ertappe mich freilich bei dieſem Satz ſchon auf einem logiſchen Widerſpruch. Nicht geſtatten, was der Natur zuwiderläuft. Was nicht in der Natur liegt, geſchieht eben nicht; geſchieht nur in ſo ver⸗ einzelten Fällen, daß wir ein Recht haben, der Regel gegenüber von einer Abnormität, einer Unnatur zu ſprechen. Wenn nun aber das Intereſſe der Frauen an dem, was die Allgemeinheit betrifft, ſich in ſo ausgedehntem Maße zeigt, wie in unſeren Tagen, wo überall, wohin wir ſehen, die Frauen ſich zuſammen⸗ ſchließen, um über die engen Grenzen der Familie hinaus Gutes zu wirken; wenn ſie die Kinder fremder Leute in Ferienkolonien ſchicken, ſich der Armen, der Kranken, der Obdachloſen, der entlaſſenen Sträflinge, der gefallenen und ausgeſtoßenen Glieder der menſchlichen Geſellſchaft annehmen, wenn ſie verſuchen, die Segnungen der Bildung und Geſittung weiten Kreiſen ihnen perſönlich ganz unbekannter Menſchen zugänglich zu machen, ſo ſollte das Typiſche dieſer Erſcheinung wohl davon überzeugen können, daß es ſich hier um einen in der Natur tiefbegründeten Zug handelt, der aber bei der Frau ebenſowohl wie beim Manne erſt in unſerer Zeit voll zum Ausdruck gelangt iſt, und um ſo mehr als eine Offenbarung der Natur, und zwar des reinſten und göttlichſten Teils derſelben angeſehen werden muß, als Verhältniſſe und Erziehung alles gethan haben, um ihn zu unterdrücken. Mit welcher elementaren Gewalt er gleich im An⸗ fang zum Ausdruck gekommen iſt, das zeigt am beſten die Geſchichte der Negeremancipation in Nordamerika, die durch edle, ſelbſtloſe Frauen die hingebendſte Förderung erfahren hat; ja, mit der eigent⸗ lich die ganze Frauenbewegung auf das engſte verbunden erſcheint. 7 So läuft denn die Frage, ob dieſe Teilnahme am öffent⸗ lichen Leben, das Zuſammenſchließen zur Vertretung von Intereſſen, die als heilſam und notwendig für die Geſamtheit erkannt worden ſind, den Frauen geſtattet werden könne, im Grunde auf die Frage hinaus, ob es der Natur geſtattet werden ſolle, ſich auf dieſe Weiſe auch bei den Frauen zu äußern. Aber dieſe Faſſung der Frage wird von unſeren Gegnern nicht anerkannt. Sie wollen auch keinen Beweis durch Induktion; ſie behaupten a priori, daß der Natur der Frau das Eintreten für öffentliche Intereſſen widerſpreche; daß alſo die ganze mächtige Bewegung unter den Frauen der Gegenwart eine un⸗ natürliche ſei. Folgen wir ihnen auch auf dieſem Wege. Nur, wer ſoll hier das Urteil zu ſprechen haben? In Wirklichkeit ſpricht es der Mann. Er entſcheidet über das, was der weiblichen Natur gemäß iſt. Da wir nun aber immer noch nicht auf der Stufe angelangt ſind, auf welcher reine Gerechtigkeit, reine Liebe und Selbſtloſigkeit auf Erden walten, ſo dürfen wir wohl annehmen, daß bewußt oder unbewußt, ſelbſt beim Manne noch, dem ja bekanntlich eine viel größere Objektivität eigen iſt als uns, eine irdiſche Regung von Selbſtliebe oder Selbſtverteidigung mitſpricht, wo es ſich um einen Urteilsſpruch handelt, der mit ſeinem eigenen Wohl und Wehe in ſo engem Zuſammenhang ſteht. Und in der That giebt eine aufmerkſame Beobachtung der Vermutung Raum, daß dem ſo ſei. Wo es ſich bei Frauenvereinen um eine Förde⸗ rung des Wohles der Geſamtheit handelt, ohne daß der Thätigkeit, der Geltung oder dem Behagen des Mannes Abbruch geſchähe, wie etwa bei der Begründung von Ferienkolonien, der Fürſorge für Arme, Kranke, entlaſſene Gefangene und dergleichen, hören wir keinen Einſpruch von ſeiner Seite; während jeder Eingriff in das, was er als ſeine Domäne anſieht, ſelbſt wenn eine objektive Betrachtung ihn als einen Vorteil für das Ganze herausſtellen ſollte, und ſelbſt wenn es ſich etwa um ſo durchaus „weibliche“ Intereſſen wie Mädchenerziehung handelt, ſeinen ent⸗ 8 ſchiedenen Widerſtand herausfordert. Da, und erſt da, hören wir die Grenzen der Natur citieren. Das Verdict des Mannes würde alſo etwa ſo formuliert werden können: Die Frau bleibt innerhalb der Grenzen der Natur auch bei Vertretung öffentlicher Intereſſen, wenn ſie der Geſamtheit zu nützen ſucht, ohne den beſonderen Intereſſen des Mannes zu ſchaden; ſie überſchreitet ſie, ſobald ihre Thätigkeit die Intereſſen — oder die vermeint⸗ lichen Intereſſen — des Mannes zu ſchädigen droht. Das würde ſich dann je nach Sitte, Zeitalter und äußeren Umſtänden verſchieben. So kompliziert ſind aber bekanntlich die Natur⸗ geſetze nicht, ſondern einfach, wie alles Große; ſie haben außer⸗ dem die vorzügliche Eigenſchaft, daß ſie ſich ſelbſt geltend machen. So lange wir alſo dies Geſetz nicht in der eigenen Bruſt fühlen, wird es auch wohl nicht ganz ſeine Richtigkeit damit haben. Eins iſt mir nun immer ſehr merkwürdig geweſen. Ich habe nie und bei keiner Gelegenheit in einer Verſammlung von Männern, auch wenn die ſonderbarſten Dinge erſtrebt und ver⸗ teidigt wurden, gehört, daß auf die Grenzen aufmerkſam gemacht wurde, die die Natur, die innere Natur des Mannes, gezogen habe. Immer wurden nur die Durchführbarkeit oder Nicht⸗ durchführbarkeit der in Rede ſtehenden Sache, d. h. die äußere Natur und die menſchlichen Verhältniſſe, wie Rechtsfragen, entgegenſtehende Vorurteile und Hinderniſſe erwogen und danach der Beſchluß gefaßt; was die Natur betrifft, ſo überläßt man die in Männerkreiſen ſtets ihren eigenen Hilfsquellen und glaubt feſt daran, daß ſie ſchon ſelbſt dafür ſorgen werde, daß die Bäume nicht in den Himmel wachſen. Und doch ſagt der Dichter: „Ewig aus der Wahrheit Schranken ſchweift des Mannes wilde Kraft“, und doch nennt er die Frauen die treuen Töchter der frommen Natur! Da haben wir wieder einmal den für Deutſch⸗ land in dieſer Beziehung geradezu charakteriſtiſchen Unterſchied zwiſchen der poetiſchen Theorie und der proſaiſchen Praxis des Lebens. Denn die Theorie behauptet, daß die Frau ein viel feineres und unmittelbareres Gefühl für das hat, was die Natur ihr geſtattet und mit ihr will, als der Mann, der in vielen Fällen den Um⸗ weg durch die Reflexion zu machen geneigt iſt. Und doch erleben wir immer wieder das ſeltſame Schauſpiel, daß der Mann glaubt, die Frau ermahnen zu müſſen, nur das zu thun, was ihre Natur erlaubt oder gebietet. Ja, wer hat denn darüber das ſicherſte Urteil? In allen Fragen gleichgültigſter Art wendet man ſich, um ganz ſicher zu gehen, an Sachverſtändige; niemandem würde es einfallen, einen Gärtner zu befragen, wenn er ein Haus bauen will, oder den Baumeiſter, wenn er ein Buch ſchreiben will, und in dieſer wichtigſten aller menſchlichen Angelegenheiten glaubt der Mann ein entſcheidendes Urteil über Dinge fällen zu können, denen er ſtets nur als Zuſchauer gegenüber geſtanden, die er nur in ihrer Wirkung empfunden, deren Weſen ihm aber nie aus eigenſter, innerer Empfindung und Anſchauung klar werden kann: über die natürlichen Anlagen der Frau. Das Urteil der Männer in Ehren, aber das ent⸗ ſcheidende Urteil über die Natur der Frau und die Grenzen ihrer Fähigkeiten kommt nur der Frau zu, nur ihr, wie nur der Mann völlig die Grenzen ſeiner eigenen Fähigkeiten und natür⸗ lichen Anlagen zu ermeſſen vermag. Das Urteil a priori in dieſer Angelegenheit können ſtets nur die fällen, in denen die in Frage ſtehenden Anlagen ſich unmittelbar offenbaren. Das andere Geſchlecht iſt ſtets auf empiriſches Studium, auf den aus äußeren Erfahrungsthatſachen zu führenden Induktions⸗ beweis angewieſen, der in dieſem Falle, wie wir geſehen, ent⸗ ſchieden zu Gunſten der Frauen ausfällt. Und wie lautet nun das Urteil der Frau über das, was ihrer Natur gemäß iſt? Zunächſt fühlt ſie, daß ſie Menſch iſt, und mit dem Manne eine Menge allgemein menſchlicher Eigen⸗ ſchaften gemein hat; mancherlei ſelbſtſüchtige Triebe, aber auch die Begeiſterungsfähigkeit für alles, was groß, ſittlich und göttlich iſt, und geeignet, den Menſchen über die Enge des realen Lebens zu erheben. Dadurch allein iſt ſchon der Boden gegeben, auf dem gemeinnützige Beſtrebungen gedeihen müſſen; dieſe allgemein 9* 10 menſchlichen Eigenſchaften pflegen aber von den Vertretern der Forderung orthodoxer „echter Weiblichkeit“ völlig überſehen zu werden. „Naturverſchiedenheiten“, ſagt Höffding dagegen, „welche mit dauerhaften und unveränderlichen Lebensbedingungen im Zuſammenhang ſtehen, werden ſich nicht verwiſchen laſſen. Es iſt aber nicht wahrſcheinlich, daß alle Verſchiedenheiten, die man zwiſchen der Natur und Begabung des Mannes und der Natur und Begabung der Frau nachweiſen zu können glaubt, dieſer Art ſein ſollten. Worin die am tiefſten liegenden Ver⸗ ſchiedenheiten beſtehen, das wird erſt zu Tage treten, wenn es beiden geſtattet wird, ihre Kräfte zu gebrauchen. Es wird ſich dann vielleicht zeigen, daß die Ähnlichkeiten größer und die Verſchiedenheiten feinere und andere ſind, als wir uns jetzt denken“¹). Wenn alſo die Frau in erſter Linie Menſch iſt und teil hat an dem Streben nach Vollkommenheit, nach der Ausbildung ihrer edelſten Kräfte, der Ausübung ihrer höchſten Fähigkeiten, ſo iſt ſchon damit ihr Recht und ihre Pflicht gegeben, ſich an allen Aufgaben zu beteiligen, die mit der geiſtigen und ſittlichen Hebung der Menſchheit im Zuſammenhang ſtehen. Aber auch aus der eigenſten Natur der Frau, aus dem, was ſie als ſolche erkennt, wenn ſie das eigene Fühlen und Denken mit dem ver⸗ gleicht, was ihr aus den Handlungen des Mannes entgegentritt, kann ſie dieſes Recht und dieſe Pflicht ableiten. Denn was ſie ſpeciell als Frau kennzeichnet, iſt — immer den edelſten Typus vorausgeſetzt — ihre Hingabe an alles, was ſeinen Urſprung in der Liebe hat; ihre Aufopferungsfähigkeit, die nun freilich in dem Grade wächſt, als Menſchen ihr perſönlich naheſtehen. Auch das iſt ein von der Natur Gewolltes, durch die Aufgabe der Frau als Mutter und Erzieherin Gegebenes. Und daher ihre nie und durch nichts zu erſetzende Stellung zum Haus, zur Familie. Welche echte Frau würde die je verkennen? würde glauben, daß der Mann zu erſetzen imſtande wäre, was ſie an ¹ Dr. Harald Höffding, Ethik, S. 230f. Leipzig, Fues' Verlag, 1888. 11 Sorge und Liebe Tag für Tag den Ihren giebt, was ſie an ihren Kindern erzieht durch Beiſpiel und Gewöhnung; was ſie an Behagen und Frohſinn und Sonnenſchein dem Hauſe verleiht? Aber eben weil es des Weibes eigenſte Natur iſt, die hier zum Ausdruck kommt, berührt die Sorge des Mannes, daß es je anders werden könnte, ſo ſonderbar. Wo es anders iſt, ſind individuelle Eigentümlichkeiten ſchuld; die Geſchlechtseigen⸗ tümlichkeiten zu verwiſchen, möchte denn doch ein Werk ſein, an dem auch die ſtärkſten Anſtrengungen ſcheitern müſſen. Der Familienſinn wird bleiben; aber eins iſt Gottlob gerade bei den edelſten Frauen im Schwinden begriffen: der Familien⸗ egoismus. Die Liebesfähigkeit der Frau fängt an, auch denen zu gute zu kommen, die draußen im Dunkeln ſtehen; ihrer eigenſten, ſchönſten und höchſten Natur entſpricht es, wenn ſie endlich ihre Arme auch denen öffnet, die niemand je geliebt hat, den Kindern der Armen und Verlaſſenen, nicht nur denen, die der Zufall ihr in den Weg führt, ſondern planmäßig, mit Über⸗ legung der Geſamtheit der Bedürftigen. Und was ſie da draußen gewonnen an Weite des Blicks und Wärme des Herzens, das kommt den Ihren doppelt zu gute. Die Frau heute noch aus⸗ ſchließlich auf das Haus verweiſen, heißt Gefahr laufen, daß ſie bald dem Hauſe nichts mehr ſein kann. Denn kein Haus kann ſich heute der innigen Berührung mit dem öffentlichen Leben entziehen; das Leben der Menſchheit mit all ſeinen großen Intereſſen, mit den ungeahnten Fernen, die es dem Blick eröffnet, zieht ein jedes in ſeinen Zauberkreis. Die Frau, die mit geſchloſſenen Augen und müßigen Händen darin ſtehen will, kann ihre Pflichten als Mutter und Erzieherin nicht mehr voll erfüllen; ſie kann nicht mehr Menſchen erziehen, die ihre Pflicht thun werden im ſpäteren Leben. Und darum iſt es nicht nur ein unveräußerliches Menſchenrecht, ſondern eine Pflicht der Frau, den großen öffentlichen Intereſſen in dem Grade, wie es ihr ſonſtiger Pflichtenkreis erlaubt, ihre thätige Teilnahme zuzuwenden. Es giebt unendlich viel Dinge im öffentlichen 12 Leben, die dem Manne fernliegen, die Frauentakt und Frauen⸗ ſorge erfordern. Ihre Sache iſt es, die Hand auf Schäden zu legen, die nur ſie zu erkennen und nur ſie zu heilen vermag. Das iſt der Zug unſerer Zeit, der dem Manne vielleicht manch⸗ mal befremdlich in den Erſcheinungen der Frauenbewegung der Gegenwart entgegentritt, der uns aber als ein höchſtes Gebot der Natur und der Sittlichkeit zum innerſten Bewußtſein kommt und uns zwingt, mit dem alten: Hier ſtehe ich; ich kann nicht anders! den Platz zu behaupten allen Anfeindungen zum Trotz. Denn dieſe Stimme der Natur erkennen wir zugleich als die Stimme des Gewiſſens, die Stimme Gottes in uns, die auch uns zuruft: „Du ſollſt deinen Nächſten lieben, wie dich ſelbſt. Wir fühlen, daß gerade heute, wo das Daſein ſich weitet nach allen Richtungen hin, mit dieſer Teilnahme am Leben der Nächſten, am Leben der Menſchheit, das Beſte zuſammenhängt, was wir haben: unſere Innerlichkeit. Mit Recht heißt es: „Umſonſt iſt alles für denjenigen da, der ſich ſelbſt allein ſtellt, denn um des Weltgeiſtes Leben in ſich aufzunehmen und um Religion zu haben, muß der Menſch erſt die Menſchheit gefunden haben, und er findet ſie nur in Liebe und durch Liebe. Aber ein zweites wird uns in engem Zuſammenhang mit der Natur als heilig und unverbrüchlich hingeſtellt: die Grenzen, die die Geſellſchaft der Frau gezogen. Die Geſellſchaft. Was iſt denn eigentlich die Geſellſchaft? Wir verſtehen darunter die Geſamtheit der Menſchen einer beſtimmten Zeitepoche, die ſich durch feſtſtehende Sitten und Gebräuche kennzeichnet, die dem jedesmaligen Bildungsſtandpunkt entſprechen. Eben darin liegt aber ſchon, daß wir es mit einem völlig beweglichen Faktor zu thun haben, mit der wandelbarſten aller Einrichtungen, die ſich gewiß nicht anmaßen darf, als Ausdruck des einen, unwandel⸗ baren göttlichen Willens und der ewig unveränderlichen Natur⸗ geſetze gelten zu wollen. Und doch glaubt ſie in ihrer jedes⸗ maligen Geſtalt ſich dieſes Recht anmaßen zu dürfen. So ſchuf ſie dermaleinſt Kaſten und Schranken, die die göttliche Ordnung 13 darſtellen ſollten; ſo ſchleppte ſie unglückliche Frauen zum Scheiter⸗ haufen, alles in majorem dei gloriam. Wenn thatſächlich die Grenzen, die die jedesmalige Geſellſchaft gezogen, unantaſtbar ſein ſollten, ſo wäre jeder Fortſchritt ausgeſchloſſen. Nun wird aber im Gegenteil der geprieſen, der Fortſchritte anbahnt, der die Geſellſchaft auf einen höheren Standpunkt der Geſittung heben hilft. Wenn alſo im allgemeinen die Grenzen, die die jedesmalige Geſellſchaft zieht, nicht heilig ſein ſollen, wenn im Gegenteil ihre Erweiterung, ſoweit ſie eine Folge friedlicher Kulturarbeit, ernſten ſittlichen Wollens iſt, als reformatoriſche That geprieſen wird, ſo muß wohl wiederum das Geſetz, die Linien zu achten, die die Geſellſchaft gezogen, ſich nur auf die Frauen beziehen. So iſt es auch in der That. Und warum iſt es ſo? Weil es heißt, der Mann iſt der natürliche Beſchützer der Frau; er wird dafür ſorgen, daß ſie von den Segnungen, die er durch Erweiterung der geſellſchaftlichen Schranken, durch Beſeitigung von Ungerechtigkeit und Härte herbeiführt, ihren Anteil erhält. Ich will hier nicht unterſuchen, wie weit dieſe Argumentation zu Recht beſteht, wie weit ſie ſchon den Sätzen widerſtreitet, die wir vorhin gewonnen haben. Ich will unſeren Gegnern ſoweit wie möglich entgegenkommen und zunächſt den Satz: der Mann iſt der natürliche Beſchützer der Frau; durch ſeine Hand ſollen ihr die Segnungen der Kultur übermittelt werden, als gegeben betrachten; ich will auch gern zugeben, daß ſich mit der Geſittung des Mannes auch die Lage der Frau ver⸗ beſſert hat, daß ſie an vielen Segnungen teilnimmt, die er her⸗ beigeführt hat. Aber wie nun, wenn er einmal dieſe Rolle als Beſchützer aufgiebt? wenn er ſeine Fürſorge verſagt? wenn er Dinge, die die Frau mit ihrem feinen, von den Dichtern ſo oft beſungenen Naturgefühl als ihrer Natur gemäß und für die Erfüllung ihrer Kulturaufgabe notwendig erkannt hat, ihr ge⸗ waltſam verwehrt? Soll da die Natur oder die Geſellſchaft den Sieg davon tragen? die von Menſchen geſchaffene, konventionelle Einrichtung oder die Stimme Gottes in unſerer Bruſt? Oder 14 glaubt wirklich nur der Mann ſie zu hören? Nein! „es hört ſie jeder, geboren unter. jedem Himmel, dem des Lebens Quelle durch den Buſen rein und ungehindert fließt!“ Und jeder hat ein Recht, Mann oder Weib, dieſer Stimme Gottes, die ihn zur Bethätigung ſeiner höchſten und beſten Gaben im Dienſte der Menſchheit treibt, Ausdruck zu geben, wie und wo er kann und mag. Und wenn die Frau, wie es jetzt in unſerem Vater⸗ lande geſchieht — und leider faſt nur noch in unſerem Vater⸗ lande —, gehindert wird, dieſe Fähigkeiten zu entwickeln, wenn der Mann, anſtatt auch nach dieſer Richtung hin die Segnungen der Kultur ihr zugänglich zu machen, ſie ihr gewaltſam ver⸗ ſchließt, da ſollte es „unweiblich“ ſein, wenn die Frauen zuſam⸗ mentreten und zuſammen die Bitte um Gehör ausſprechen? Sagt nicht wieder der Dichter, daß die Bitte in einer Frauen Mund gewaltiger ſei als ſelbſt das Schwert? Und wenn dieſe Bitte eine gemeinſame iſt und ſich an eine Gemeinſchaft von Männern richtet; wenn ſie im Anſchluß an die Sitten des öffent⸗ lichen Lebens, das für Anmut und Liebenswürdigkeit keinen Raum hat, ſich in die kurze, ſcharfe Form von Beſchlüſſen kleidet und unter dem fremden Namen „Petition“ geht — der wiederum doch nur die Bitte umſchleiert, denn was wir den Behörden vorlegen, iſt eben immer nur eine Bitte, — dann ſoll ſie plötzlich der Frauennatur widerſprechen? Und durch das alles ſoll die erziehliche Thätigkeit der Frauen leiden? Dadurch daß ſie ſich fähiger machen wollen zu erziehen? Es mag wohl einmal in einem Einzelfall zutreffen, daß eine Frau über dem öffentlichen, dem Vereinsleben ihren Haushalt vernachläſfigt; dann würde ſie ihn vermutlich, wenn kein Verein exiſtierte, über etwas anderem vernachläſſigt haben. Warum generaliſiert man in dieſen Fällen bei den Frauen ſofort, während man da, wo eine Erſcheinung generell auftritt, ſie als unnatürlich und verkehrt bezeichnet? Die Schwäche des ganzen Standpunktes, den man uns gegenüber einnimmt, kann durch garnichts ſchärfer bezeichnet 15 werden, als eben durch die allgemein übliche Zuſammenſtellung von „Natur und Geſellſchaft“. Eins von beiden ſollte billiger⸗ weiſe nur maßgebend ſein dürfen. Denn die Schranken, die die Geſellſchaft ſetzt durch Geſetze, die ſetzt ſie eben deswegen, weil die Natur keine geſetzt hat; weil Dinge geſchehen können, die nach der augenblicklich geltenden Anſicht nicht geſchehen ſollen. Geſetze geben um Dinge zu verhindern, die nicht ge⸗ ſchehen können, würde für gewöhnlich von der ſcharfen Logik der Männer als Unſinn bezeichnet werden. Daß unter dieſe Bezeichnung die zahlreichen Einſchränkungen fallen müſſen, die die Frauen von der Ausübung ſo vieler Berufe, ſo vieler ein⸗ facher Menſchenrechte ausſchließen, weil die Natur das angeb⸗ lich ſo will, darauf kommen merkwürdigerweiſe die Männer in den ſeltenſten Fällen. Und gerade dazu reicht nun unſere Logik aus. Und ſo bleiben wir denn dabei, es widerſpricht der Natur der Frau nicht, ihr thätiges Intereſſe über den engen Kreis des Hauſes hinaus, ſoweit es die Pflicht gegen dieſes geſtattet, dem Leben der Menſchheit zuzuwenden; ſie hat nicht nur das Recht, ſondern ſogar die Pflicht, für die großen Intereſſen der Menſchheit einzutreten, beſonders da, wo nur ſie das volle Verſtändnis, die volle Empfindung dafür haben kann. Was von der Frau im allgemeinen gilt, gilt natürlich von der Lehrerin auch. Aber die Lehrerin nimmt im Menſchheits⸗ organismus noch eine ganz beſondere Stellung ein; eine Stellung, die ihre Rechte und Pflichten in der angedeuteten Richtung noch ganz bedeutend erhöht. Kinder ſind, nach unſerer modernen Anſchauung, nicht völlig das Privateigentum ihrer Familie. Man nimmt zwar an, daß das natürliche Intereſſe derſelben ſtark genug ſei, um eine völlige körperliche Verwahrloſung der Kinder zu verhüten und kümmert ſich alſo, falls eine ſolche nicht offen in hervor⸗ ragendem Maße zu tage tritt, nicht um die häusliche Erziehungs⸗ methode nach dieſer Richtung hin. Man nimmt aber nicht an, daß immer Wille und Einſicht vorhanden ſei, auch den Geiſt zu 16 bilden, und ſtellt daher die intellektuelle Erziehung unter Zwang⸗ Falls die Eltern nicht wohlhabend genug oder nicht willens ſind, die geiſtige Ausbildung in ihrem Hauſe bewirken zu laſſen, tritt das Kind in eine Schule ein, und damit, mag es eine Privatſchule oder eine öffentliche Schule beſuchen, in ein Stück öffentlichen Lebens. Es vermag auf die Dauer ſchwer, und nur bei ganz beſonderer Charakteranlage, dem Geiſt zu widerſtehn, der die Schule beherrſcht; man würde nicht von einem Korps⸗ geiſt ſprechen, wenn man dieſe Erfahrung nicht oft genug ge⸗ macht hätte. In einem Jahrgang, einer Klaſſe von Kindern pflegt die Art zu denken, das Leben aufzufaſſen, die ſittliche Feinfühligkeit, die Vorliebe für gewiſſe Unterrichtsgegenſtände, die Abneigung gegen andere die gleiche zu ſein. Mancherlei hängt nach dieſer Richtung hin von den führenden Elementen unter den Kindern ab; das Meiſte entſchieden vom Lehrer, von der Lehrerin. Es giebt Zeiten, wo eine gewiſſe Uniformität — ich gebrauche das Fremdwort abſichtlich — der Anſchauungs⸗ weiſe durch die Schulen ganzer Länder geht: ſie kann nicht durch die Kinder hineingetragen ſein, auch nicht durch den Ein⸗ fluß der Erwachſenen in den Häuſern, aus denen ſie kommen. Abgeſehen davon, daß dieſe Häuſer doch zu verſchiedener Art ſind, hören wir ja nur zu oft von den Eltern die Klage, daß die Kinder ſo ganz anders denken und fühlen, als ſie wünſchen und ſelbſt thun. Dieſe Uniformität des Denkens iſt vielmehr im weſentlichen nur auf die Lehrenden zurückzuführen, die, der⸗ ſelben Ausbildung, denſelben Prüfungen unterworfen, unter der⸗ ſelben Kontrolle ſtehend, zum Teil, ſoweit ihre Anlagen ur⸗ ſprünglich indifferent waren, thatſächlich ähnlich denken, zum Teil äußerlich wenigſtens ähnliche Auffaſſungen vertreten, weil ein gewiſſer Zwang dazu vorhanden iſt. Es gehört Charakter dazu, andere Geſinnungen zu zeigen, als ſolche, die ein Vor⸗ wärtskommen in der Welt ermöglichen. Damit iſt die eigentümliche Stellung des Lehrers bezeichnet. Er hat einen beſtimmenden Einfluß auf die Anſchauungsweiſe 17 des ganzen werdenden Geſchlechts; nicht auf einzelne Kinder, die vielleicht ihrerſeits ſelbſt ſpäter wenig einflußreich ſind, ſondern zahlloſe Kinder gehen im Laufe der Jahre durch ſeine Hand. Er erzieht die künftigen Abgeordneten, Staatsmänner, Miniſter, die künftigen Frauen und Mütter. So ſteht er nicht mehr dem Privatleben, ſondern der Offentlichkeit verantwortlich gegenüber. Wenn die Richtung, in der er wirkt, eine falſche iſt; wenn die Erziehungsmethode, der der Staat, dem er an⸗ gehört, huldigt, eine falſche iſt, und er erkennt es, ſo würde er ſich eines Unrechts ſchuldig machen, wenn er gedankenlos und ohne in Wort, Schrift oder Handlung das ſeinige zu einer Anderung beizutragen, in der als fehlerhaft erkannten Weiſe beharrte. Daß das zu geſchehen hat, ohne daß der Konflikt in die Schule hineingetragen wird, daß die Verordnungen der Vorgeſetzten und der Geſetze auf das pünktlichſte zu befolgen ſind, wenn und ſo lange man innerhalb eines Schulverbandes ſteht, verſteht ſich für den gewiſſenhaften und pädagogiſch er⸗ fahrenen Lehrer von ſelbſt; jeder den Kindern vernehmbare Mißklang wäre ein Bruch des Worts: „Seht zu, daß ihr nicht einen von dieſen Kleinen ärgert!“ Wäre, was unter abnormen Verhältniſſen vorkommen könnte, der Widerſpruch zwiſchen den Anſchauungen des Lehrers und den Vorſchriften des Staats ein ſo ſtarker, daß er dieſe ohne Gewiſſenskonflikt nicht erfüllen könnte, ſo würde ihm eben nichts übrig bleiben, als aus ſeiner Stellung zu ſcheiden. Aber, wird man mir einwerfen, der Lehrer hat die Ver⸗ antwortlichkeit vor der Öffentlichkeit nicht zu tragen; es ſind die, welche ihm vorgeſetzt ſind. Das iſt völlig richtig nach außen hin; nicht aber für unſer Gewiſſen. Wenn wir ſo denken, ſo ſind wir Tagelöhner in unſerem Beruf. Sollen wir nicht das Recht der Kritik haben dem gegenüber, was wir auszuführen veranlaßt werden, ſo muß man uns überhaupt das Denken ver⸗ bieten. Das aber ſtimmt ſchlecht zu dem Amt eines Lehrers. Wer aber überhaupt denken ſoll, dem können unmöglich be⸗ 2 18 ſtimmte Gebiete verwehrt werden. So ſehen wir denn auch überall Verbände von Lehrern zuſammentreten, beſonnene, maß⸗ volle Männer, die auf das treueſte innerhalb ihres Berufes arbeiten, und doch Kritik üben an den Methoden, nach denen ſie arbeiten müſſen; wir ſehen ſie all' ihren Einfluß einſetzen, um auf geſetzlichem Wege Mängel zu beſeitigen, die ſie erkannt zu haben glauben, und immer weniger wird ihnen das Recht zu einem ſolchen Vorgehen beſtritten. Wenn den Lehrerinnen gegenüber eine andere Auffaſſung herrſcht, ſo kann das wiederum ſeinen Grund nur darin haben, daß ſie Frauen ſind. Wer nun mit uns auf dem Boden ſteht, daß das an und für ſich kein Hindernis iſt, für das für recht Erkannte auch öffentlich einzutreten, könnte nur zweierlei Gründe dafür angeben, daß ſich für die Lehrerin trotzdem ein ſolches Vorgehen verbiete. Der erſte wäre, daß ihre Vorgeſetzten eben Männer ſind, die als ſolche einen unbedingt höheren Grad von Einſicht haben und deren Anordnungen ſie ſich daher ſtillſchwei⸗ gend zu fügen hätten. Aber dies Argument würde eine zu große Verleugnung der in gewiſſem Maße auch uns verliehenen lo⸗ giſchen Fähigkeiten erfordern. Wir lernen den Mann im Privat⸗ leben als ein dem Irrtum genau in demſelben Maße als wir unterworfenes Weſen kennen; wir ſehen ſogar, daß er oft noch hartnäckiger darin beharrt als wir, weil er ein unbedingteres Vertrauen auf die eigene Kraft und Urteilsfähigkeit hat, und ſollten nun die Naivetät haben zu glauben, daß er irrtumsun⸗ fähig wird, ſobald er uns als Behörde vorgeſetzt wird oder an der Geſetzgebung beteiligt iſt? Da müßten wir doch zunächſt wenigſtens eine völlige Übereinſtimmung über geſetzgebe⸗ riſche Fragen bei den Männern ſehen, und — unſeren Reichs⸗ tag und Landtag in Ehren — aber das wird ihnen ſelbſt der kühnſte Lobredner nicht nachſagen wollen, be⸗ ſonders nicht, wo es ſich um kulturelle Fragen handelt. Gerade hier finden wir den größten Mangel an Überein⸗ ſtimmung. Der bloße Umſtand, daß Geſetzgeber und Behörden 19 Männer ſind, wird uns alſo wohl kaum zur Aufgabe des eigenen Urteils beſtimmen dürfen und können. Ein anderes Argument wäre, daß die Ausbildung der Lehrerinnen eine zu geringwertige ſei, als daß ihnen ein voll⸗ gültiges Urteil in Schulangelegenheiten zuſtehen könne. Dies Argument kann freilich von den Vertretern unſeres jetzigen Schulſyſtems nicht gebraucht werden. Die vom Staat uns gebotene reſp. von ihm verlangte Ausbildung genügt ihm, um uns das Recht des Unterrichts in allen Klaſſen und allen Fächern der höheren Mädchenſchule ohne die geringſte Ein⸗ ſchränkung zu gewähren; er gewährt uns ſelbſt das Recht der Schulleitung gegen, wie mir ſcheinen will, recht mäßige poſitive Garantien. Faſt ſollte es alſo ſcheinen, als ob er unſere Fähigkeiten, unſere pädagogiſchen Einſichten für viel wertvoller hält, als die des Mannes, der ganz andere Vorbedingungen erfüllen, ein ganz anderes Maß von Wiſſen nachweiſen muß, um die gleichen, vollen Rechte zu erhalten. Er kann jedenfalls, wenn er uns, mit ſolchen Rechten ausgeſtattet, in ein öffentliches Amt ſtellt, nicht wohl erklären, daß unſere Fähigkeiten und Kenntniſſe nicht hinreichen zum erfolgreichen Nachdenken über unſere Pflichten. Nachdenken aber und Kritik liegen in der⸗ ſelben Richtung; das eine iſt der Urheber der anderen. Aber das alles gilt nur für die, welche thatſächlich glauben, daß die vom Staat gewährte reſp. verlangte Bildung die Lehrerin wirklich zu den auf dem Papier garantierten Leiſtungen befähige, nicht für mich, die ich entgegengeſetzter Meinung bin. Die Lehrerin, die thatſächlich keine weiteren Kenntniſſe beſitzt, als die bei der Prüfung von ihr verlangten, hat m. E. alle Urſache, mit ihrem Urteil in fachwiſſenſchaftlichen Fragen ſehr zurück⸗ haltend zu ſein. Aber es giebt denn doch ſehr viele Lehrerinnen, die ihre ungenügende Ausbildung durch fleißige eigene Arbeit ergänzt und völlig die Kompetenz des Lehrers auch in fach⸗ wiſſenſchaftlichen Fragen erlangt haben. Überdies giebt es eine große Menge von Fragen im Schulleben, die mit dem Maß 2* 20 und der Art der Fachkenntniſſe wenig oder nichts zu thun haben. Urteile über allgemeine Methode, über äußere Verhält⸗ niſſe — wie die Stellung des Lehrers, der Lehrerin, die Be⸗ teiligung beider Geſchlechter beim Unterricht, Gehaltsfragen, — Urteile ferner über hygieniſche, beſonders aber über erziehliche Fragen ſind mehr oder minder unabhängig davon. Sie hängen zuſammen mit der individuellen Anlage, der Unbefangenheit des Blicks, der Wärme des Intereſſes, dem Reichtum an Lebens⸗ erfahrungen, dem natürlichen pädagogiſchen Talent. Sie ſtehen daher ſelbſt dem Laien zu, der mit Aufmerkſamkeit und Intereſſe dieſe Fragen ſtudiert; wieviel mehr der Lehrerin, deren ganze Lebensaufgabe damit zuſammenhängt. Sie darf nicht nur, ſie muß ſich ein Urteil über alle dieſe Dinge bilden; ſie muß es um ſo mehr, als manche Schäden des Schullebens geradezu nur dem Blick der Frau erkennbar ſind, ſo daß ihre Kritik eine wertvolle, ja eine unentbehrliche Ergänzung zu den Beobachtungen des Mannes bildet. Kurz, es ſind keine ſtichhaltigen Gründe für die Anſicht vorzubringen, daß der Lehrerin das Recht der Kritik verwehrt ſein ſollte, das dem Lehrer zugeſtanden wird; wohl aber eine große Anzahl von Gründen, die auf das Gegenteil hinführen. Daß ſie dies Recht mit noch mehr Vorſicht zu üben hat, als der Lehrer, davon bin ich meinesteils überzeugt. Denn wir ſind das ſtaatserhaltende Prinzip; die Frauen im allgemeinen und die Lehrerinnen im beſonderen. Und eben darum haben wir doppelt zu prüfen, ehe wir öffentlich Kritik üben. Iſt das aber geſchehen, und haben wir es als Gewiſſensſache erkannt, einer Überzeugung öffentlich Ausdruck zu geben, ſo iſt es nicht nur unſer Recht, ſondern geradezu unſere Pflicht, mit all' der Energie dafür einzutreten, die eben nur die Überzeugung, für Wahrheit und Recht zu kämpfen, verleiht. Und wenn uns per⸗ ſönlich ein Nachteil daraus erwächſt, da mag das Wort bedacht werden, das mir einſt ein Mann geſagt, der es bis zu grauem Haar ſelbſt befolgt hat: „Schädige Dich! Das iſt kein Schade, den Du an der Seele nimmſt!“ 21 Wenn aber ſo ſelbſt der Einzelnen Recht und Pflicht zu⸗ geſprochen werden muß, für das einzutreten, was ſie als gut und wahr erkannt hat, wiepiel mehr den Vereinen! Das Zu⸗ ſammentreten der Lehrerinnen zu Vereinen muß geradezu als das ſicherſte Mittel gelten, eine voreilige Kritik zu verhindern. Hier werden die Fragen, die uns am Herzen liegen, von allen Seiten beleuchtet; hier ſtehen den jüngeren, naturgemäß hitzigeren Elementen ältere, gereiftere gegenüber; hier kann durch Austauſch von Erfahrungen geſondert werden, was etwa nur zufällig, im Zuſammenhang mit einzelnen Perſönlichkeiten auftritt, von dem, was typiſch iſt. Bei Entſchlüſſen entſcheidet die Majorität; ſie tragen daher durchweg einen gemäßigten Charakter; ſie können jedenfalls als der Ausdruck des Bewußtſeins vieler gelten, der niemals völlige Mißachtung erfahren darf. Und ſo erfahren die Reſolutionen einer ſolchen Vereinigung, ſoweit es ſich um Männer handelt, gewöhnlich auch eine entſprechende Behand⸗ lung ſeitens der Behörden; wenn ſie auch zu den Akten gelegt werden, ſo geſchieht es doch meiſtens mit der freundlichen Bezeichnung: ſchätzenswertes Material. Und die Beſchlüſſe der Lehrerinnenvereine ſollten nach anderem Maßſtab gemeſſen werden? Sie dürfen es nicht, ſie dürfen es ſchlechterdings nicht, wenn der Staat ſeinen wirklichen Vorteil im Auge haben will. Denn in einem iſt die erfahrene Frau, die erfahrene Lehrerin dem Manne entſchieden überlegen: in der Fühlung für das, was ihr ureigenſtes Gebiet angeht, die Erziehung; die Erziehung ſpeziell der Mädchen. Was auch augenblicklich im Hader der Parteien darüber vorgebracht werden mag: es ſteht doch feſt, was in der Theorie freilich auch längſt die erſten Pädagogen beſtätigt haben: die Frau iſt die größte, die geborene Erzieherin, beſonders ihres eigenen Geſchlechts. Und darum verdient es Beachtung, was ſie in Erziehungsfragen ſagt. Wenn Frauen gern auf kluge Männer hören, ſo wäre es andererſeits Sache der Männer, in Fragen der Erziehung auf erfahrene Frauen 22 zu hören. Wenn wir auch noch lange nicht ſo weit ſind, wie die Londoner Bürger, die auch Frauen in den Schulrat wählten, weil ſie ja auch Mädchen in die Schule ſchickten, ſo gäbe es doch auch bei uns Möglichkeiten genug, die Anſicht der Frauen in pädagogiſchen Fragen, beſonders ſo weit ſie ihr eigenes Ge⸗ ſchlecht angehen, zu Rate zu ziehen, und ich ſpreche es offen aus, es iſt nicht wohlgethan, daß ſie ſo entſchiedener Gering⸗ ſchätzung begegnet. Wie ſehr den Frauen dieſe Fragen am Herzen liegen, das beweiſt der Umſtand, daß ſie immer in den Vordergrund treten, wo ſich Lehrerinnenvereine bilden; daß dieſe in erſter Linie für ideale Fragen eintreten, für alles das insbeſondere, was mit der Erziehung der Mädchen zuſammen⸗ hängt; für eine beſſere Vorbildung der Lehrerinnen, für ihre Beteiligung am Unterricht auch der heranwachſenden Mädchen; für alle ſpeziell in dieſes Gebiet einſchlagenden Fragen. Aber die Lehrerinnenvereine ſollen und müſſen die Augen offen halten auch noch für andere Fragen, die ſcheinbar untergeordneter, weil materieller Art ſind. Sie ſind häufig nur ſcheinbar materieller Natur. Wenn Geſetze gegeben werden, durch welche ſich die Gemeinden veranlaßt ſehen, lieber einen Lehrer als eine Lehrerin anzuſtellen, ſo ſchmälert das einerſeits den Lehrerinnen das Exiſtenzgebiet; andererſeits wird aber den Gemeinden ſelbſt ein ſchwerer Schaden zugefügt, dadurch, daß der weibliche Ein⸗ fluß ihren Töchtern entzogen wird. Wenn ferner die äußeren Exiſtenzbedingungen zu knapp bemeſſen ſind, ſo wird nur ſchein⸗ bar bloß der Körper auf halbe Rationen geſetzt; in Wirklichkeit geſchieht dasſelbe dem Geiſt. Man iſt ſehr geneigt bei uns, unter ſtetem Hinweis auf die „Anſpruchsloſigkeit“ des weiblichen Geſchlechts ſeine Exiſtenzmittel ſo weit wie möglich herunter⸗ zuſchrauben. Dieſe Anſpruchsloſigkeit iſt in Wirklichkeit ein Kunſtprodukt und ein Angſtprodukt. Sie kann ſo weit gehen, daß von alledem, was die weite Erde bietet und was der Mann unbefangen als ſein eigen betrachtet, nichts mehr beanſprucht wird, als die knappſte äußere Exiſtenz: kein Buch, 23 kein Kunſtgenuß, kein ſich ausleben in freier Natur. Eine ſolche Anſpruchsloſigkeit aber iſt der Erzfeind aller Bildung. Sie macht es, dieſe künſtlich erzwungene Anſpruchsloſigkeit, daß die Bibliothek der Lehrerin nur aus ihren Schulbüchern beſteht; ſie macht den Blick kurzſichtig und das Herz eng; ſie ſchließt das Auge zu vor allem, was die ſchöne Welt bietet; ſie ſchließt es auch vor dem, was ſie von uns verlangt. Das iſt der ſehr ernſte Hintergrund dieſer materiellen Fragen; das bringt ſie in ſo engen Zuſammenhang mit den idealen. Und darum iſt es die Pflicht der Lehrerinnenvereine, für dieſe Fragen einzutreten mehr noch als ſie es bisher gethan haben. Wie mißlich es nach dieſer Richtung hin oft an den Privatſchulen ausſieht, iſt uns allen bekannt. Hier wird einſtweilen die Sache ſchwer durch Lehrerinnen⸗ vereine geregelt werden können, da nur zu viele Lehrerinnen jeden, auch den ganz unzureichenden Verdienſt mitnehmen müſſen, um nur überhaupt exiſtieren zu können. So würden alſo etwaige Majoritätsbeſchlüſſe immer wieder durchkreuzt werden. Aber es wäre Sache der Schulvorſteher⸗ und Schulvorſteherinnenvereine, gegen die Ausnutzung zu proteſtieren, die einzelne Schulvorſtände angeſichts des großen Angebots von Arbeitskräften ſich den Lehrerinnen gegenüber erlauben. Sie allein würden die moraliſchen Zwangsmittel in der Hand haben, die hier von Nutzen ſein können. Wenn die vom Staat und den Gemeinden angeſtellten Lehrerinnen i. a. in Bezug auf die Höhe, vor allem aber durch die größere Sicherheit ihres Einkommens bedeutend beſſer daran ſind, als die Lehrerinnen der Privatſchulen, ſo können doch auch bei ihnen, vor allem bei den Volksſchul⸗ lehrerinnen, Fälle eintreten, in denen ſie berechtigte Wünſche geltend zu machen haben. Und wenn ſie in ihrem ſchweren Beruf bis auf das äußerſte ihre Pflicht thun — und daß man das von unſeren Kolleginnen, den Volksſchullehrerinnen, als ganzer Stand genommen, ſagen kann, wird wohl niemand be⸗ ſtreiten, — ſo ſollten ſie bei den Behörden, bei denen doch alles 24 mit gleichem Maß gemeſſen werden und den Schwachen Hilfe zu teil werden ſoll, ein geneigtes Ohr und ein williges Herz finden. Dazu muß ihnen freilich geſtattet werden, ihren Wün⸗ ſchen als Gemeinſchaft Ausdruck zu geben. Wahrlich, Frauen ertragen viel, ehe ſie ihre Not öffentlich zur Sprache bringen; aber ſie müſſen es thun, wenn die geiſtige oder leibliche Not⸗ lage, in der ſie ſich befinden, ihre Leiſtungsfähigkeit innerhalb ihres Berufs beeinträchtigt, beſonders, da ſich bei uns leider nur ſelten der Mann öffentlich ihrer annimmt. Wo es geſchieht, ſind wir gewiß dankbar; wir haben vor kurzem den ſchwerſten Schadenin unſerem Lehrerinnen⸗Beruf, die unzulänglichen Bildungs⸗ verhältniſſe, mit kritiſcher Schärfe von kundiger Seite darlegen ſehen¹); ich bin nie in dankbarerer Stimmung aus einem Vortrag gegangen. Aber eben daß dieſer Fall als ein Ereignis bei uns betrachtet wird, kennzeichnet am beſten unſere Lage und mahnt uns, nicht abzulaſſen, bis endlich unſere „Bitte um Recht“ Ge⸗ währung findet. Ich habe nun nichts von alledem geſagt, was der Verein ſonſt für die Lehrerinnen bedeutet: wie er denen, die keinen Familienkreis haben oder nur einen ſolchen, der nach der ſchweren Schularbeit noch gleich ſchwere Anſprüche an ihre Zeit und Kraft macht, die Erholung bietet, die ſie dort nicht finden können; die edelſte Erholung, Licht und Wärme und Freudig⸗ keit für ihren Beruf durch den Verkehr mit gleichſtrebenden Genoſſinnen, durch die Beziehungen, die er anbahnt, das geiſtige Leben, das er weckt; wie er die Zagenden ſtärkt, die Schwachen kräftigt und vor allen Dingen den ſchwächlichen Egoismus in opferfähigen Gemeinſinn wandelt: alles dies lag heute nicht in meinem Plan. Was ich gewollt und gemußt, habe ich ausge⸗ ſprochen: meine feſte Überzeugung, daß es der Frauen und Lehrerinnen Recht und Pflicht iſt, einzuſtehen für das, was ſie nach vorſichtiger und reiflicher Überlegung für wahr und gut ¹) In einem Vortrage des Prof. Dr. Stephan Waehzoldt, Direktor der Kgl. Eliſabethſchule in Berlin. 25 erkannt haben. Und ſo laſſen Sie uns dabei bleiben und feſt dafür eintreten in aller Vorſicht und all der Achtung, die wir dem äußeren Geſetz ſchuldig ſind; aber auch mit all der Über⸗ zeugungstreue und Wärme und Begeiſterung, die wir der mah⸗ nenden Stimme in der eigenen Bruſt ſchulden. Und Gottlob! es regt und rührt ſich überall jetzt bei uns, und wenn unſerem Mühen, uns die Ausbildung und Stellung zu erringen, die wir um unſeres Volkes, um der Erziehung willen glauben erringen zu müſſen, bis jetzt auch noch wenig äußerer Erfolg geworden, ſo bietet doch der Umſtand, daß Tauſende von deutſchen Lehrerinnen nunmehr zuſammenſtehen in dem bewußten Streben, nach jeder Richtung hin ſich tüchtig zu machen für ihren hohen Beruf, die ſicherſte Garantie für eine beſſere Zukunft. In I. Gehmigke's Verlag (R. Appelius) erſchien ferner: Frauenbildung von Helene Lange. Preis 1 Mk. 60 Pf. Wir laſſen nachſtehend einige Urteile der Preſſe darüber folgen. Staatsanzeiger für Württemberg. Nr. 48, 1889: „Die Verfaſſerin dieſer kleinen intereſſanten Broſchüre hat ſich ſchon durch verſchiedene ſchriftſtelleriſche Arbeiten einen Namen gemacht, be⸗ ſonders im vorigen Jahr durch die Begleitſchrift, welche ſie zu einer ans Preußiſche Abgeordnetenhaus gerichteten Petition ſchrieb. Die Petition verlangte höhere Bildungsanſtalten für Frauen, hat aber keinen Erfolg gehabt. Es iſt nun erfreulich zu ſehen, wie H. Lange ſich dadurch hat weder entmutigen noch verbittern laſſen. Sie greift im Gegenteil mit friſchem Mut zu den Waffen, welche ein philoſophiſch geſchulter Geiſt, eine Summe von Erfahrungen und vor allem ein warmes Herz für die Sache ihr in die Hand geben . . . . Welche Wünſche ſie ausſpricht, welche Vorſchläge ſie macht, dabei ſtets die⸗ andersgeartete Begabung der Frau, ſpeziell der deutſchen Frau im Auge behaltend, das möge, wer ſich für die Sache intereſſiert, ſelbſt nachleſen. Er wird eine geiſtvolle und feſſelnde Schrift zur Hand bekommen, und es iſt zu wünſchen, daß ſich nicht nur denkende Frauen, ſondern ins⸗ beſondere auch gebildete Männer damit bekannt machen. Berliner Börſenzeitung vom 31. Januar 1889: „Daß dem Weibe ein größerer Wirkungskreis errungen werden muß gerade durch größere Vertiefung in gediegene Wiſſenſchaften, wird jeder⸗ mann einleuchten. Gerade bei uns giebt es noch viel auf dieſem Gebiet zu leiſten, und deshalb ſind ſolche Werke, wie das vorliegende, hoch willkommen. Es wird gewiß ſeine großen Gegner finden, allein auch dieſen wird die geiſtvolle Arbeit volle Achtung abzwingen. Auch die Kieler Zeitung vom 13. Januar 1889 ſtimmt den Forderungen, die die Verfaſſerin aufgeſtellt hat, im Prinzip zu. „Das jedenfalls iſt durch ihre Darſtellung erwieſen, daß die For⸗ derungen der deutſchen Frauen, für die ſie das Wort führt, nicht auf etwas an ſich Unmögliches gerichtet ſind. Auch ſcheint es, als beginne⸗ der Widerſtand, der ihnen geleiſtet wird, hier und da bereits nach⸗ zulaſſen . . . . Wir wünſchen, daß recht viele von denen, welche eine Erörterung der „Frauenfrage“ ablehnen oder belächeln, die inhaltreiche Schrift leſen mögen: ſie werden ſie nicht aus der Hand legen, ohne zu ernſtem Nachdenken angeregt zu ſein.“ Danziger Zeitung vom 20. Januar 1889: „Vor kurzem iſt unter dem Titel „Frauenbildung“ eine Bro⸗ ſchüre erſchienen, deren Verfaſſerin Helene Lange bereits durch die Be⸗ gleitſchrift zu der Petition um Erweiterung des Fraueneinfluſſes an den Mädchenſchulen ſich in weiteren Kreiſen bekannt gemacht hat. Wie die frühere, ſo zeichnet ſich auch die neue Schrift durch ihre maßvollen For⸗ 27 derungen aus, ohne jedoch bei aller Ruhe und Sachlichkeit jener perſön⸗ lichen Wärme zu entbehren, welche dem Bewußtſein für ein gute, ungerecht unterdrückte Sache zu kämpfen entſpringt und dem Leſer eine wohlthuende Überzeugung von dem Ernſt des Autors giebt.“ Hamburger Correſpondent Nr. 4, 1889: „Die Verfaſſerin dieſer Schrift iſt bereits rühmlichſt bekannt als eine der tapferſten Kämpferinnen in der (Frauen⸗) Frage . . . . Sie bekundet auch in dieſer Darlegung ihre vorzügliche Befähigung, die Dinge ſcharf und deutlich zu beleuchten, zu ſondern, einander gegenüber⸗ zuſtellen und thut dies trotz feurigen Eifers für ihre Sache doch mit bemerkenswerter Mäßigung und Beſonnenheit.“ Allgemeine Deutſche Univerſitäts⸗Zeitung v. I. Febr. 1889: „. . . Bei dieſer Sachlage hat ſich die unermüdliche Vorkämpferin für Hebung der weiblichen Bildung, Fräulein Helene Lange, ein großes Verdienſt erworben, indem ſie die damit in Zuſammenhang ſtehenden Fragen eingehend behandelt hat. Hoffen wir, daß die Vor⸗ ſchläge des ausgezeichnet geſchriebenen Buches auch in Deutſchland bald die gebührende Berückſichtigung finden werden.“ Die Nationalzeitung ſchließt ihr Referat über die Schrift mit den Worten: „Die Verfaſſerin weiſt den aus geringerer geiſtiger Pro⸗ duktivität der Frauen gezogenen Einwand gegen ihre Zulaſſung zum höheren Unterricht und zum ärztlichen Unterricht geſchickt zurück. Mag man ſich zu ihren Forderungen ſtellen, wie man will, jedenfalls verdient die intereſſante Schrift auch ſeitens der Gegner volle Beachtung.“ Die Nation vom 26. Januar 1889: „. . . . Wie jeder ſoziale Fortſchritt in letzter Linie auf die Ent⸗ wicklung der moraliſchen, intellektuellen und techniſchen Bildung zurück⸗ zuführen iſt, ſo kann auch den Frauen ſozial nur dann wirkſam geholfen werden, wenn ihnen die Möglichkeit gegeben wird, ſich auf eine höhere Stufe der Bildung zu heben. Das iſt der Grundgedanke dieſer Schrift, die nach Form und Inhalt in hohem Grade beachtenswert erſcheint. Die Verfaſſerin führt die Sache ihres Geſchlechts mit einer ungewöhn⸗ lichen Beredtſamkeit. „Die Frauen haben dasſelbe Recht auf geiſtige Arbeit wie der Mann“, — dieſen Satz verficht ſie in ſcharfſinniger und nachdrücklicher Weiſe gegen eine Welt von Vorurteilen.“ Der Vereinsbote, Organ des Vereins deutſcher Lehrerinnen und Erzieherinnen in England, bemerkt: „Wir müſſen es Helene Lange danken, daß ſie trotz vielſeitigen Widerſpruchs die Sache, die ſie verfochten, nicht einfach für verloren gegeben, ſondern derſelben neue Unterſtützung zuzuführen geſucht hat, in der Sammlung und Sichtung der Erfahrungen, welche in andern Län⸗ dern in Bezug auf die Frage gemacht worden ſind. Wir müſſen es ihr danken, daß ſie bei allem Mut und aller Energie, die ſie an eine von Schwierigkeiten ſtarrende Sache gebracht hat, dieſelbe in dem vorliegen⸗ den Werke mit der Würde und weiſen Mäßigung behandelt hat, die 28 eine Frauenfrage nach deutſchen Begriffen erheiſcht, und daß ſie es da⸗ durch jeder vorurteilsfreien Deutſchen ermöglicht hat, ſich zu derſelben zu bekennen .. . Das deutſche Frauenideal hat mit der übrigen kulturellen Fortentwicklung Deutſchlands nicht völlig Schritt gehalten. Es ſei daher jeder Verſuch mit Freuden begrüßt, der uns das Erſtreben höherer Ziele, ſoweit dieſelben in das Bereich echten Frauenberufs fallen, ermöglichen will, und wir empfehlen darum Helene Langes Broſchüre allen denen aufs wärmſte, die für die darin beregten Fragen ein Intereſſe fühlen.“ Nordweſt vom 3. Februar 1889: „Unter den mutigen Frauen, welche für die anſcheinend ſo hoffnungs⸗ loſe und doch im Grunde ſchon gewonnene Sache unentwegt weiter kämpfen, ſteht voran Helene Lange, deren neueſte Schrift über dieſen Gegenſtand: „Frauenbildung“ wir der Beachtung unſerer Leſer warm empfehlen.“ Die Lehrerin in Schule und Haus vom 1. Februar 1889 ſchreibt über „Frauenbildung“ „Unter dieſem Titel hat Helene Lange eine höchſt erfreuliche Gabe zum neuen Jahr geboten . . . . Sie hat mit dieſer Gabe den Leſerinnen der „Lehrerin“, ſie hat uns allen, die wir eine Beſſerung des weiblichen Erziehungsweſens anſtreben, einen unendlich wertvollen Dienſt geleiſtet, deſſen Tragweite wir in dieſem Augenblick noch gar nicht zu berechnen wiſſen. Die Neuen Bahnen (Nr. 4, 1889) bringen eine warm zuſtim⸗ mende Beſprechung von Auguſte Schmidt. „Die Verfaſſerin ſagt am Schluſſe ihres Buches: „Wer nichts für ſich ſelbſt will, darf alles ſagen und alles fordern.“ Ich ſtelle dieſes Wort an den Anfang meiner Beſprechung, denn es kennzeichnet wie kein anderes den Geiſt des Werkes. Jeder, der den ehrlichen Kampf für Ideen kennt und denſelben mitgeſtritten hat, wird in allem, was Helene Lange ſchreibt, die innere Wahrhaftigkeit, die Wärme der Überzeugung, den furchtloſen Freimut erkennen. Was ſie für unſer Geſchlecht als gut und recht erkannt, das vertritt ſie voll und ganz, ohne ängſtlich ihre Meinung zu verhüllen, ohne die Tragweite ihrer Gedanken durch vor⸗ ſichtige Klauſeln einzuengen. Sie ſagt und fordert eben alles, weil ſie für ſich ſelbſt nichts will . . . . Das Buch behandelt die wichtigſten Seiten der Frauenfrage und darf daher das lebhafte Intereſſe unſerer Leſerinnen beanſpruchen. Helene Lange wendet ſich „an die Denkenden der Nation“, und ich meine, wir Frauen ſollten ihr beweiſen, daß ſie uns nicht ohne Berechtigung zu dieſen gerechnet hat.“ Schweizer Frauenverband, Februar 1889: „. . . . wir können hinzuſetzen, daß die Tendenz der kleinen Schrift „Frauenbildung“ keine andere iſt, als die wahre Sittlichkeit zu fördern, weswegen wir ſie unſern Leſerinnen angelegentlich empfehlen zu müſſen glauben.“ Magdeburgiſche Zeitung, 24. März 1889: „Mit der vorliegenden Schrift hat die Verfaſſerin ſich ein großes Verdienſt erworben um alle, die über die Frage der Frauenbewegung 29 nachzudenken gewohnt oder gewillt ſind . . . . Möchte die vorliegende Schrift, die ſich ebenſo durch klare Auffaſſung, wie durch ſachliche Dar⸗ ſtellung und überzeugende Wärme auszeichnet . . . . die Kenntnis der wirklich beſtehenden Verhältniſſe verbreiten helfen! Möchte ſie der echten, nach hohen Idealen ſtrebenden Frauenbewegung Freude verſchaffen!“ Die Gartenlaube (Nr. 26, 1889) ſchreibt: „Jedenfalls enthält die Schrift, der man Freimut der Meinungs⸗ äußerungen und Wärme der Darſtellung nachrühmen muß, eine Menge intereſſanter Angaben über die engliſchen Verhältniſſe auf dem Gebiete der Frauenbildung.“ Münchener Stadtzeitung, 18. Juni 1889: „. . . . Ich bedaure es, dem Leſer an dieſer Stelle keine weiteren Proben der Beredtſamkeit dieſer von begeiſtertem Glauben an ihre Sache durchdrungenen Frau bieten zu können, empfehle aber die Lektüre des Büchleins aufs wärmſte.“ Le Salon et la Famille, 15. juillet 1889: „Qu'il me suffise d'attirer l'attention de nos lecteurs sur le livre en question et de le recommander chaudement à leur aimable attention. IIs y trouveront des idées bonnes et justes .. une po- lémique courtoise, judicieuse et spirituelle. Puissent-ils comme moi étre convaincus que l'auteur rend un vrai service à sa patrie et aux femmes allemandes en combattant pour les libertés de son sexe; puissent-ils aussi contribuer en leur part au succés de ces nobles pensées en apportant à leur jugement toute Paménité, la conscience et la justice nécessaires à une bonne cause.““ Frauenberuf vom 30. September 1889: „Wir beglückwünſchen Fräulein Lange zu dem vollen und ganzen Erfolg, den ihre Arbeit erzielte: der „Frauenſache“ einen großen Dienſt erwieſen zu haben. Die ruhige, vorurteilsfreie Erwägung auf der einen, die präziſe Darſtellungsweiſe auf der anderen Seite, Eigenſchaften, die wir an Helene Langes Werken bereits kennen, verleihen auch dem vor⸗ liegenden jenen Charakter der Reife, den die meiſten der heutigen deutſchen Schriften für und wider die Frauen ſo empfindlich vermiſſen laſſen. Dieſer Vorzug gründet ſich in letzter Linie nicht allein auf ein ſpezielles ſchriftſtelleriſches Geſchick der Verfaſſerin, ihre Argumente zur gewollten Wirkung zu bringen, ſondern vor allem auf die ſichere Baſis eingehender Studien über den behandelten Gegenſtand und auf die aus dieſem Studium ſich ergebende Beherrſchung des Stoffes, die jedes Taſten ausſchließt. — — Wenn die Frauen gehört werden, und zwar ſo oft, daß ſie die Männer über ihre eigenen Angelegenheiten unterrichten und infolgedeſſen vielleicht auch für dieſelben intereſſieren können, dann werden große Fortſchritte in der Frauenbewegung zu merken ſein — früher nicht. Und darum begrüßen wir es mit aufrichtiger Freude, daß eine Frau, wie die Verfaſſerin der „Frauenbildung“, geſprochen hat, — klar, prak⸗ tiſch und objektiv. Möchten ihre trefflichen Worte von Vielen gehört und verſtanden ſein. 30 (he Nation. New Vork, Nov. 28. 1889. „A small, but clear-headed band of reformers, chiefly women. have long been working to bring abont a change of affairs, and there are signs that they are gaining ground. Prominent among them is Helene Lange, author of an interesting pamphlet. „Frauenbildung¹¹, and other brochures. To Fräulein Lange's various writings the author of this article is largely indebted.“ Nylaende 15. Januar 1890, Kristiania. erwähnt in einem langen Artikel über die Frauenfrage Helene Langes Frauenbildung als eines verdienſtvollen Beitrags zu dieſer Frage; desgl.: Vor Ungdom 1. u. 2. Heft 1890. Kopenhagen. S. 70. Arhiva Societätii stiintifice si literare Din Jasi. 1889. Nr. 3. (Überſetzung.) „In der letztgenannten Schrift ſucht die Verfaſſerin, mit Recht unzufrieden mit der geringen Rückſicht, die ihr Vaterland für die Frauenbildung zeigt, zu unterſuchen, wie die anderen Kulturländer es gemacht haben, um den Weg zu praktiſchen Reformen in der Lage der Frauen wenigſtens zu eröffnen. J. Gävänescul. Educationa! Review, New Vork, January 1891. „Miss Lange's spirited and pithy volume well deserves its place in the international Education Series . . There can be fem liberal American readers, least of all among those who understand the struggle for existence which now goes on in the great middle class of populous Germany, who will not agree with Miss Lange's conclusions, and desire success for the small band of enlightened workers whom she represents.“ Die ethiſche Bedeutung der Frauenbewegung. Vortrag, gehalten am 30. September 1889 in Erfurt auf der 15. Generalverſammlung des Allgemeinen deutſchen Frauenvereins. Preis 30 Pf. Rede zur Eröffnung der Realkurſe für Frauen gehalten am 10. Oktober 1889 zu Berlin. Preis 30 Pf Anſere Weſtrebungen. Vortrag, gehalten in der erſten allgemeinen Verſammlung deutſcher Lehrerinnen zu Friedrichsroda am 27. Mai 1890.. Preis 35 Pf. Darüber ſagt: Nordwest, Nr. 47, 24. Nov. 1889. „Beherzigenswerte Worte über Frauenbildung hat die unermüdliche und beſonnene Vorkämpferin dieſer Bewegung, Fräulein Helene Lange, kürzlich bei zwei öffentlichen Veranlaſſungen geſprochen ... Beide Reden ſind hübſch ausgeſtattet in L. Oehmigkes Verlag in Berlin er⸗ ſchienen. Sie zu leſen ſei erſtlich allen denen ernſtlich empfohlen, welchen die weibliche Bildung, wie ſie jetzt in Deutſchland hergebracht iſt, verbeſſerungsbedürftig erſcheint, zweitens aber auch allen denen, welche feſt überzeugt ſind, daß Frauen nicht denken und nicht denken lernen können. Daß jede Kundgebung Helene Langes nach der ſprach⸗ lichen Seite hin zugleich auch ein äſthetiſcher Genuß iſt, verſteht ſich für diejenigen von ſelbſt, die etwas von ihr geleſen haben.“ Deutſchland, Nr. 7. Berlin, den 16. November 1889. „Helene Lange iſt eine der erfreulichſten Erſcheinungen in der Be⸗ wegung, welche auch die deutſche Frauenwelt ergriffen hat. Ohne Sen⸗ timentalität und ohne Phraſe, mit ſelbſtändigem Denken und praktiſchem Sinn, man möchte in ſeinem Mannesübermut beinahe ſagen: mit männ⸗ licher Kraft tritt Helene Lange für die Frauenrechte ein, welche nach ihrer Idee von der landläufigen Emanzipation der Ruſſinnen ebenſoweit entfernt ſind, wie von den perſönlichen Freiheitsgelüſten der Franzöſinnen. In der Schule des engliſchen Geiſtes hat Helene Lange ſich offenbar 31 gebildet. In ihrem leſenswerten Buche „Frauenbildung“ verfocht ſie überzeugend den Satz, die Frau habe dasſelbe Recht auf geiſtige Arbeit, wie der Mann; in dem vorliegenden Vortrage, welcher in Erfurt auf einer Generalverſammlung des allgemeinen deutſchen Frauenvereins ge⸗ halten wurde, drückt die Rednerin denſelben Gedanken etwas unbe⸗ ſtimmter aus, indem ſie für das Weib anſtatt der klar umſchriebenen Mannesrechte, die etwas nebelhafteren Menſchenrechte verlangt. Beſon⸗ ders treffend iſt der Hinweis auf die idealeren Gründe, welche neben dem gemeinen Brotneid der deutſchen Frauenbewegung im Wege ſtehen. „Das Frauenideal des Durchſchnittsdeutſchen zeige einen Zug geiſtiger Paſſivität, von dem gerade unſere größten Dichter nichts gewußt haben und auch nichts hätten wiſſen wollen.“ Wenn unſere Frauenbewegung niemals andere Vorkämpferinnen gehabt hätte, als ſolche wie Helene Lange, wären die Feinde nicht ſo zahlreich. Neue Bahnen, Nr. 24, 1889. „Der (in Erfurt gehaltene) Vortrag vertieft noch beim Leſen den mächtigen Eindruck, den er auf den Hörer ausübte. Die Kraft zu über⸗ zeugen, welche der Verfaſſerin in dieſer Schrift zum Siege gegen alle Widerſacher verhilft, entſpringt einem ernſt zur Wahrheit dringenden Geiſt, der nicht nur Probleme zu löſen, ſondern ihre Löſung auch klar entwickelnd in logiſcher Gedankenfolge darzulegen vermag. Mit der Sicherheit des Mathematikers, deſſen auf ewigen Geſetzen beruhende Ausführungen jeden Zweifel lähmen, legt Helene Lange Weſen, Grund und Ziel der Frauenbewegung dar . . . . Die Zuverſicht, daß ſich mit der Zeit die äußeren Bedingungen den inneren gemäß geſtalten müſſen, daß die Idee, die der Frauenbewegung zu Grunde liegt, den Sieg davon tragen müſſe, geht mit den warmen, von Wahrhaftigkeit und Glaubensfreudigkeit durchwehten Worten der Verfaſſerin unwiderſtehlich 32 in das Gemüt des Leſers über, und wir ſind mit ihr überzeugt, daß dieſer Glaube Berge verſetzen wird.“ Hygieia, November 1889, Heft XI. (Rede zur Eröffnung der Realkurſe.) „Nach Leſung ſolcher ziel⸗ bewußten Erklärung möchte man dieſem Neuerungswerke beinahe ſchon die günſtige Vorherſage ſtellen, welche einſt Bismarck dem neuerſtehenden Reiche in folgendem Bilde vorhielt: „Heben wir Deutſchland nur in den Sattel; reiten wird es ſchon ſelbſt können.“ fhe open Court, Chicago, march 13, 1890. „The Ethical Significance of the Woman's Rights Movement formed the subject of tle address of Helene Lange before the general conference of the German Woman's Association at Erfurt. in September last. It is eloquently and earnestly written.“ Arhiva Societätii stiintifice si literare Din Jasi. 1889, No. 3. (Erfurter Vortrag. Überſetzung.) „Mit welcher Logik und Beredt⸗ ſamkeit, mit welcher Reife des Denkens und geiſtiger Kraft entwickelt Helene Lange dieſe ethiſche Bedeutung in einem in Erfurt gehaltenen Vortrage. Wenn ein Denker wie Höffding, Profeſſor an der Univerſität in Kopenhagen, die Bedeutung der Frauenbildung analyſierend, in ſeiner Ethik ſagt: „was die Frau verlangt, iſt eigentlich das Recht, ihre volle Pflicht im Dienſt der Menſchheit zu thun“, ſo iſt die notwendige Folge daraus, daß es die Pflicht einer jeden Frau iſt, ſich für dieſe Aufgabe fähig zu machen zu ſuchen. Die deutſche Schriftſtellerin zieht dieſe Folgerung. Allgemeine Deutſche Univerſitätszeitung Nr. 13. 1. Juli 1890. (Unſere Beſtrebungen.) „Fräulein Helene Lange, die bereits in einer Reihe von Schriften eine den Anforderungen unſerer Zeit entſprechende höhere Frauenbildung befürwortet hat, hatte mit anderen Vorkämpferinnen der gleichen Anſchauungen zur Gründung eines allgemeinen deutſchen Lehrerinnenvereins aufgefordert. In ebenſo geiſtvoller wie klarer Weiſe entwickelte ſie in der zu Friedrichsroda in der Pfingſtzeit ſtattgefundenen begründenden Verſammlung die Ziele, welche die deutſchen Lehrerinnen zur beſſeren Erfüllung ihrer Aufgaben und zur Gewinnung einer würdigeren Stellung im Leben unſerer Nation anzuſtreben haben.“ Nordweſt, Nr. 25. 22. Juni 1890. „Ein ausgezeichneter Vortrag von Helene Lange: „Unſere Be⸗ ſtrebungen“, ſtellt mit der der Verfaſſerin eigenen ruhigen Sachlichkeit und ſchlagenden Kürze die Gründe dar, welche die deutſchen Lehrerinnen. veranlaſſen müſſen, ſich zur Eroberung eines ihnen und dem Gemeinwohl frommenden Wirkungskreiſes zuſammenzuthun und auf eigene Füße zu ſtellen. Die Verlagshandlung. Druck von G. Bernſtein in Berlin. Z gr 8° In I. Gehmigke's Verlag (R. Appelius) in Verlin, 55 Kom⸗ mandantenſtraße, erſchienen ferner von derſelben Verfaſſerin: Gelene Lange, Schiller's philoſophiſche Gedichte. Sechs Vorträge, gehalten in Berlin. Preis . . . . 1 M. 60 Pf. elegant gebunden 2 M. 50 Pf. Nie höhere Mädchenſchulr und ihre Geſtimmung. Begleitſchrift zu einer Pe⸗ tition an das Preußiſche Unterrichtsminiſterium und das Preußiſche Abgeordnetenhaus. 1888. Preis 80 Pf. ² — Frauenbildung. 1889. preis 1 M. 60 pf. — Nir rthiſchr Gedeutung der Frauen⸗ bewegung. Vortrag, gehalten am 30. Sep⸗ tember 1889 in Erfurt auf der 15. General⸗ verſammlung des Allgemeinen deutſchen Frauen⸗ vereins. 1889. ¹Preis 30 Pf. Rede zur Eröffnung der lenlkurſe für Frauen, gehalten am 10. Oktober 1889 in der Aula der Charlottenſchule zu Berlin. 1889. Preis 30 Pf. Unſere Geſtrehungen. Vortrag, gehalten in der erſten allgemeinen Verſammlung deutſcher Lehrerinnen zu Friedrichroda am 27. Mai 1890. Preis 35 Pf. Précis de PHistoire de la Littéra- ture francaise. 3. Auflage. 1890. Preis 1 M. 25 Pf. Druak von G. Bernſtein in Berlin. ZFBII2 2022 B. GÖRICH Buchbinderei Zossener Str. 41, Tel. (0 30) 6912125 1000 Berlin 61 RAL. RG 495 8. März 1984